lunapark 21 – Für eine nicht-apokalyptische Kapitalismuskritik

Heute, am vorletzten Tag des Jahres, geht Nummer 67 unserer Zeitschrift lunapark21 in den Versand. Der Schwerpunkt liegt diesmal auf der Wohnungsfrage mit vielen, hoffentlich brauchbaren Beiträgen. Trotzdem passt nicht alles ins Heft: In den nächsten Tagen werden daher hier auf dem Blog ein paar Ergänzungen, Hintergründe und Daten nachgereicht.

Seit dem Neustart im Herbst 2024 ist es schon das fünfte Heft. Für ein Resümee ist das zu früh. Eine Zeitschrift mit dem großen und sehr deutschen Anspruch einer „Kritik der globalen Ökonomie“ braucht einen langen Atem. Aber es ist vielleicht nicht zu früh daran zu erinnern, dass ich als Herausgeber und Redaktionsmitglied mit einem Konzept angetreten bin: mit der Idee einer nicht-apokalyptischen Kapitalismuskritik.

Lernen aus der eigenen Geschichte?

Am Ende der alten lunapark21 hatte ich im Sommer 2023 im Rückblick auf 16 Jahre und 61 Hefte ein, aus meiner Sicht, dickes Lob aufgeschrieben: „Es ging nicht um das alte Selbstbewusstsein von Marxisten, in deren Theorie alles geklärt war: Die Revolutionen sind die »Lokomotiven der Geschichte«, die Gleise werden durch die ökonomische Entwicklung gelegt und die Kommunisten sind die Lokomotivführer, denn sie »haben theoretisch vor der übrigen Masse des Proletariates die Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung voraus.« (Manifest der Kommunistischen Partei) – also darum ging es nicht. Die Redaktion von Lunapark war nie der Überzeugung, in einer historischen Mission unterwegs zu sein.“ Andererseits habe ich eine, aus meiner Sicht, scharfe Kritik formuliert, denn es ging und geht mir

„…um die ziemlich schwierige Verbindung zwischen dem Alltag der Leute und einer gründlichen Kritik der globalen wie der lokalen kapitalistischen Ökonomie. Historisch gesehen gibt es da weniger eine Verbindung, als eine sehr traditionelle Arbeitsteilung: Es gibt Leute, die malochen, finden vieles Mist und lesen manchmal schlaue Kritiken an der Welt, in der sie leben. Und es gibt Leute, die finden auch vieles Mist und schreiben schlaue Kritiken an der Welt, in der wir alle leben. Die Schnittmenge zwischen beiden Gruppen ist klein. Denn so wie diese Gesellschaft eingerichtet ist, muss man sehr gegensätzliche Anforderungen in den 24 Stunden eines Tages unterbringen, wenn man in beiden Gruppen unterwegs ist.

Auch Lunapark21 ist es leider nicht gelungen, zur Aufhebung dieser traditionellen Arbeitsteilung beizutragen. An der Gestaltung lag es nicht. Im Inhalt der Hefte zeigte es sich, weil die Schwerpunkte rasch wechselten. Über Konflikte wurde berichtet, wenn sie sich zuspitzten – aber nicht, wenn sie stagnierten. Wir haben die Geschichten selten zu Ende erzählt. (Es finden sich immer Konflikte, die sich gerade zuspitzten.) Die damit verbundene Kurzatmigkeit, die teils schrägen apokalyptischen Töne laufen auf eine Selbstbestätigung eines eher engen Kreises aktiver Funktionäre oder funktionierender Aktivisten hinaus. Als normal arbeitender Mensch mit normalen Kolleginnen und Kollegen kann man sich das auf die Dauer kaum leisten. Das Problem ist alt. Eine Lösung für dieses Problem wäre etwas Neues.“ Weniger arte, mehr Arbeiter Illustrierte Zeitung/

Nach uns die … Sintflut?

Sicher, die Ohnmacht der Einzelnen gegenüber den Weltkrisen ist nicht eingebildet. Deshalb finden apokalyptische Schilderungen der Gegenwart, vom akademischen Text bis zum Blockbuster, von Günther Anders und Herbert Marcuse bis zu Roland Emmerich, ein großes Publikum. Und ein dankbares Publikum, denn

„Im Grunde genommen tröstet der Apokalyptiker den Leser, er läßt ihn, vor dem Hintergrunde der drohenden Katastrophe, die Existenz einer Gemeinschaft von Übermenschen erahnen, die sich über die Banalität und den Durchschnitt zu erheben vermögen (und sei es auch nur durch Ablehnung)…“(Umberto Eco, Apokalyptiker und Integrierte, 1964)

Die Prognosen des Weltendes sind einseitig. Sie sitzen dem Kapitalfetisch auf, den Linke doch so gern theoretisch schlachten wollen. Tatsächlich ist der Reichtum dieser Gesellschaft nicht das Produkt des Kapitals, sondern der gesellschaftlichen Arbeit. Wer in der entfremdeten Form des Reichtums nicht das Produkt der Arbeitenden erkennt, der bleibt noch hinter dem Alltagsverstand zurück, der immer wieder beides vorbringt. Einerseits: »Wir kleinen Leute können ja nix machen.« Andererseits: »Ohne uns läuft nichts.« Die Ohnmacht ist nicht alles, und Aussteigen aus der Gesellschaft keine Lösung für nix. An dieser Stelle fängt aber die Frage nach der Verantwortung an, und eine nicht-apokalyptische Kapitalismuskritik wird echt unbequem. Zum Beispiel mit Texten in den ersten Heften seit dem Neustart habe ich versucht, auf diese Weise unbequem zu sein.

Mehr als Texte und Gestaltung

Eine Zeitschrift ist mehr als Inhalt und Form. Die Arbeit an der Neuaufstellung von lunapark hat das Ausbalancieren der gegensätzlichen Anforderungen an die 24 Stunden eines Tages für uns nicht einfacher gemacht. Einige Schwierigkeiten waren vorhersehbar, andere kamen überraschend. Ein großer Optimist, Bertolt Brecht, schrieb einmal: „Humor ist Distanzgefühl.“ Es hatte niemand versprochen, dass es einfach wird. Mit Heft 67 beginnt der zweite Jahrgang nach dem Neustart. Die Welt ein Stück menschenfreundlicher zu machen ist kein Sprint und kein Marathon, sondern eine alltägliche Lebensaufgabe.

Das deutsche Exportmodell

spezial konfliktpotenzial

Militärausgaben und Kriegswirtschaft

Ein Votum für einen neuen europäischen Imperialismus?

Das Recht des Stärkeren– und seine Grenzen

Proletarier aller Länder, vereinzelt Euch?

Die Grenzen ihrer Sprache sind die Grenzen ihrer Welt

So sehen Sieger aus? Kein Gleichgewicht nach dem Gleichgewicht des Schreckens

spezial brddr: 35 jahre währungsunion

»Ich leiste was, ich leiste mir was.«

Hartz IV war die Vollendung der deutschen Einheit

Zwei Seiten einer Medaille oder: Die DM war kein Geschenk

Kapitalismus ohne Wachstum

spezial demokratie & kapitalismus

Teil des Problems und Teil der Lösung

Schreibe einen Kommentar


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.