Syrien und der Imperialismus

Für den 7. Mai 2012 hat der syrische Präsident Baschar al Assad Parlamentswahlen angekündigt. Noch zuvor, am 2. April, soll in Istanbul die zweite Runde der „Freunde Syriens“ zusammentreten. Die Einlader hoffen darauf, das diesmal, anders als am 24. Februar in Tunesien, Rußland und China mit dabei sein werden. Während draußen das diplomatische Gezerre fortgesetzt wird, geht im Lande der Bürgerkrieg weiter. Wie im Falle Jugoslawiens gibt es auch heute wieder Beobachter, die aus ihrer Hilflosigkeit und dem Imperialismus der USA eine Tugend machen wollen und sich für ein „verstärktes Engagement“ des Westens aussprechen. Und wie im Falle Jugoslawiens gibt es auch hier wieder andere Beobachter, die Feinde der USA gerne mit dem Ehrentitel des „Antiimperialismus“ schmücken, ganz gleich, wie die Verhältnisse im Lande sich für die Leute dort gestalten. Ein Dilemma?

Nein. Man muß nicht für eine der streitenden herrschenden Klassen Partei ergreifen. Die Initiative adopt a revolution organisiert praktische Unterstützung für die friedliche Opposition gegen das Assad-Regime, ohne die es keine wirkliche Befreiung der syrischen Bevölkerung geben wird. Und die Kollegen der Challenge hatten schon im letzten Sommer Analysen von Yacob ben Efrat und Asma Agbarieh-Zahalka vorgelegt, die mit den Gründen des Konfliktes auch die Gründe für eine linke Positionsbestimmung freilegen.

Ende Februar hat Yacob ben Efrat seine Einschätzung aktualisiert. Dazu diskutiert er die verschiedenen Interessen Rußlands, aber auch des Irak und des Iran, ohne die Gründe für den Ausbruch und die Nachhaltigkeit des Aufstands zu vergessen:

Den Preis für diesen Krieg zwischen den Supermächten zahlt das syrische Volk, das nur Demokratie und soziale Gerechtigkeit will. Doch das Regime Putins, das den sowjetischen Markt privatisierte und die Beute zwischen den neuen Oligarchen aufgeteilt hat, sieht Assad als strategischen Verbündeten in der Region: einen Verbündeten für Moskaus imperialistische Bestrebungen. Diese Allianz setzte das traditionell enge Bündnis zwischen dem sowjetischen Regime und Syrien fort, wenngleich die ideologische Basis für das Bündnis weggefallen ist und beide Länder kapitalistisch sind. Natürlich basiert die aktuelle Allianz nicht einfach auf einer Tradition, sondern auf militärischen und geopolitischen Interessen, die Putins Rußland aus der Sowjetära geerbt hat. Zum Beispiel der Hafen von Tartus, der entsprechend den Verträgen zwischen Syrien und Rußland umgebaut und von russischen Kriegsschiffen genutzt wird. Wenn Assad fällt, fallen auch diese Vereinbarungen. So wie der Westen seine regionale Hegemonie durch die Isolierung Irans und den Sturz Assads sichern will, so arbeitet Rußland an einer oppositionellen Achse im Mittleren Osten: Irak, Iran, Syrien. Der schiitische Charakter dieser Verbindung ist nicht zu übersehen. (aus: Das syrische Volk – ein Opfer des Kalten Krieges)

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