Juristisch ist die Sache klar: Ein neuer Anlauf zur Übernahme der Deutschen Wohnen muss her. Mit einer Erklärung vom 26. Juli 2021 hatte die Vonovia ihren Versuch zur Übernahme der Deutschen Wohnen erst einmal beendet. Sie war knapp daran gescheitert, 50 Prozent der Aktien der Konkurrentin zu erhalten. Deshalb wurde das Übernahmeverfahren ganz offiziell aufgegeben. Parallel sorgte der Immobilienkonzern aus Bochum aber dafür, dass der nächste Versuch leichter fallen sollte. Die Vonovia baute ihren Anteil an der Deutschen Wohnen auf knapp 30 Prozent aus. Nun hat sie ein neues Übernahmeangebot angekündigt, in dem der Preis je Aktie um einen Euro auf 53 Euro steigen soll. Der Vorstand der Deutschen Wohnen ist bereits einverstanden. Wenn auch noch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen mitspielt, dann steht der geplanten Übernahme nicht mehr viel im Weg.
Keine Selbstkritik
In Selbstkritik üben sich die Vorstände von Vonovia und Deutscher Wohnen nicht. Abgesehen von der Preiserhöhung soll das neue Angebot „im Wesentlichen dieselben Bedingungen“ enthalten, wie das alte. In einem Beitrag für die Website der Rosa-Luxemburg-Stiftung hatte ich Ende Mai den Übernahmeversuch kurz analysiert. Warum die Deutsche Wohnen diesmal, anders als 2016, zustimmte. Wie der Deal in das Geschäftsmodell der Vonovia passt. Was das Angebot, 20.000 Wohnungen an das Land Berlin zu verkaufen, über den Preis der Sozialpartnerschaft mit Immobilienkonzernen verrät: Die Berliner Landeswohnungsunternehmen sollen mit vermehrter Kreditaufnahme die Zeche zahlen. Michael Breitkopf hat das Kaufangebot und die möglichen Konditionen Mitte Juli ausführlich analysiert. Sein Fazit lässt sich mit einer alten Warnung zusammenfassen: Fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen.
Doch die Konzerne müssen mit keinem politischen Widerstand rechnen. Das Bundeskartellamt hatte die Übernahme der Deutschen Wohnen gleich nach Vorlage des Angebotes freigegeben. Die Berliner Landespolitik wollte noch nach dem ersten Scheitern der Übernahme nicht vom teuren Ankauf der 20.000 Wohnungen lassen. Und vor dem Volksbegehren „Deutsche Wohnen und co. enteignen“ hat der Vorstand der Vonovia immer noch keine Angst: Sie legen sicher nicht noch mehr Geld für die Deutsche Wohnen auf den Tisch, um es zu verlieren.
Marktbereinigung
Das heißt nicht, dass die Konzerne keine Schwierigkeiten sehen. Im Gegenteil: Die Fusion ist das nächste Kapitel der Bereinigung unter den privatwirtschaftlichen Immobilienunternehmen, die seit Jahren etwa 13 Prozent der Mietwohnungen in Deutschland kontrollieren. Ihre Bestände sind fast durchweg aus den Wohnungsprivatisierungen der späten neunziger/frühen 2000er Jahre entstanden. Die Finanzkrise 2007-09 hat die Ära der Privatisierungen aber erst einmal beendet. Das heißt: Seitdem drängeln sich all die privatwirtschaftlichen Unternehmen im gleichen Marktsegment, das nicht mehr wächst. Sie können sich im wesentlichen nur gegenseitig etwas abkaufen oder eben fusionieren. Im Bericht des BBSR zu den Wohnungs- und Immobilienmärkten in Deutschland 2020 findet sich das schön dargestellt: Seit 2015 befindet sich das Handelsgeschehen mit großen Wohnungsbeständen in einer „zweiten Tiefphase“, denn es herrscht „Knappheit an verfügbaren Wohnungsportfolios“.
Um trotz solcher objektiven Schranken für ihre Aktionäre das beste herauszuholen, setzen Vonovia und Deutsche Wohnen zu einem neuen Versuch an. Eine Linke, die den realen Konkurrenzkampf auf kapitalistischen Märkten ernst nimmt, sollte das nicht überraschen. Eine Linke, die sich auf abstraktes Klagen über Großkonzerne beschränkt und dabei weiter auf Geschäfte mit ihnen hofft, muss scheitern. Alternativen gibt es. Doch um sie umzusetzen, müssen Kräfteverhältnisse geändert werden.