Gern Unterschätzt: Das deutsche Kapital und seine Politiker. Teil 1
Mit der Publikation ihres Buches „Freiheit statt Kapitalismus“ hat Sahra Wagenknecht manche Verwirrung ausgelöst.[1] Daß sich ausgerechnet eine LINKEN-Politkerin positiv auf den „Vater der Währungsreform“, den langjährigen Bundeswirtschaftsminister und kurzzeitigen Bundeskanzler Ludwig Erhard bezog, mußte viele Menschen wundern – und hat sie auch verwundert. Eine Debatte begann, die durch die Querbezüge zu aktuellen Personalfragen der parlamentarischen Linken und die Präsenz der Autorin in verschiedenen Medien noch an Lebendigkeit gewann. Lebendige politische Debatte sind nichts, woran in der deutschen Öffentlichkeit ein Überangebot besteht. Insofern könnte fast zwei Jahre nach der Veröffentlichung des Buches eine positive Bilanz gezogen werden.
Allerdings kommt es bei politischen Debatten auch noch auf den Inhalt an – und da ist in den vergangenen anderthalb Jahre leider keine fortschreitender Klärung, sondern eher eine andauernde Verwirrung zu konstatieren. So wird Frau Wagenknechts Berufung auf Ludwig Erhard ganz unterschiedlich interpretiert: vom augenzwinkernden Marktingtrick bis zur ehrlichen Fortsetzung fortschrittlicher liberaler Intentionen ist dem Buch so ziemlich alles nachgesagt worden. Darin zeigte sich, daß die bisherige Debatte mit dem diskutierten Buch etwas gemeinsam hat: Schon das Buch pflegt einen ebenso selektiven wie freihändigen Umgang mit historischen und ökonomischen Fakten. Sicher ist die Diskussion mit ihren neuen Ab- und Umwegen ein Indiz der heutigen politischen Situation. Doch was tun mit den Fragen, die in ihr aufgeworfen wurden?
Ignorierte Kritik von links
Frau Wagenknecht selbst verhält sich marktwirtschaftlich zu den Rezensionen, die zu ihrem neuesten Buch erschienen sind. Auf ihrer Website finden sich nur solche Artikel vermerkt, die ebenso lobend wie reputierlich und also verkaufsfördernd sind. Den linken Rand markieren Erhard Cromes Besprechung im „neuen deutschland“ und ein Beitrag von Joachim Bischoff und Christoph Lieber aus der Zeitschrift „Sozialismus“. Dagegen hat selbst die wohlwollende Kritik Georg Fülberths in der Tageszeitung „jungeWelt“ vom 28. Mai 2011 keinen Eingang in die Öffentlichkeitsarbeit der stellvertretenden Partei- und Fraktionsvorsitzenden der LINKEN gefunden – anders als die Bemerkungen des CSU-Abgeordneten Peter Gauweiler oder des Managementprofessors Max Otte. Besonders liberal ist solcher Umgang mit andersdenkenden Marxisten nicht. Wie andere bürgerliche Denker pflegt auch die Denkerin Sahra Wagenknecht Leitern nach dem Gebrauch wegzuwerfen, sie ist über ihre kommunistischen Karrieresprossen hinausgestiegen und bekommt viel Beifall, denn siehe: Nun sieht sie die Welt richtig.(Wittgenstein, Tractatus 6.54.)
Anders, als es den Leser/die Leserin der offiziellen Website oder des nicht weniger affirmativen Wikipedia-Eintrags erscheinen mag – letzterer verweist immerhin auf Fülberth – gab es jedoch schon nach der ersten Ausgabe des Buches 2011 eine Reihe von inhaltliche Kritiken des Wagenknechtschen Werkes aus marxistischer Feder. Nach der ersten Rezension von Georg Fülberth folgte in der „jungenWelt“ am 7. und am 8. Juli 2011 ein zweiteiliger Beitrag von Helmut Dunkhase. Daneben legte Lucy Redler noch im Herbst 2011 eine ganze Broschüre vor: „Sozialismus statt Marktwirtschaft“, die mittlerweile elektronisch vertrieben wird.
Georg Fülberth: Erhard? Ein Propagandist
Georg Fülberth verknüpft eine klassische Rezension voller positiver Bemerkungen – „nicht Falsches, kaum neues, viel Vernünftiges“ – mit einer deutlichem Kritik an dem, was er für einen „Trick“ hält: Die Berufung auf Ludwig Erhard kann der marxistische Politologe aus Marburg einfach nicht ernst nehmen. Sein Gedächtnis ist zu gut, als daß er Ludwig Erhard für einen unbewußten Vorarbeiter eines „kreativen Sozialismus“ halten könnte. Er bezeichnet präzise die Erhardsche Politik des Jahres 1948 als „Umverteilung von unten nach oben“ und findet auch an der weiteren Linie des Wirtschaftministers und kurzzeitigen Bundeskanzlers wenig zu loben: Jeder Schritt in Richtung Sozialstaat war ihm zu viel, die Nachkriegsprosperität gab es in den anderen hochentwickelten kapitalistischen Ländern auch. Und Erhards Ideen für eine „formierte Gesellschaft“ ? Eine Lachnummer für aufgeklärte Zeitgenossen! „Schon in der ersten gelinden Wirtschaftskrise ab 1966 mußte Erhard als untauglich ausgewechselt werden.“ Nur als Propagandist sei Erhard großartig gewesen. Sein letztes Opfer war möglicherweise Sahra Wagenknecht: „Falls sie es aber selber besser weiß, dann verkauft sie ihr Publikum für dumm. Das wollen wir ihr lieber nicht unterstellen.“
Da ihm an Ludwig Erhard nichts interessantes auffällt, kann Georg Fülberth den Bezug auf den „Wohlstand für alle“ nur für einen wahlpolitischen Schachzug halten und schließt mit einigen Spekulationen über die Zukunft der LINKEN – ein anderes, wenngleich ebenfalls interessantes Thema. Fülberths Resümee steht mitten im Text: „Es hätte ein sehr schönes Buch werden können, wäre sie nicht auf einen merkwürdigen ideologiepolitischen Trick, den sie vielleicht für listig hält, verfallen.“ Die Option, daß es Frau Wagenknecht ernst meinen könne, wird von Georg Fülberth ebensowenig erwogen wie die Möglichkeit, daß Ludwig Erhard mehr war als ein guter Agitator des Kapitals. Schade.
Helmut Dunkhase: Erhard? Abwesend
Der Beitrag von Helmut Dunkhase ist keine Buchbesprechung, sondern bezieht eine klare Gegenposition: Das Herumdoktern an den Symptomen des Kapitalismus sei aussichtslos, da der Fall der Profitrate allen Zwischenlösungen den Garaus machen werde. Unter Bezug auf Marxens Interpretation der Aktiengesellschaften als „Resultat der höchsten Entwicklung der kapitalistischen Produktion“, das als solches „notwendiger Durchgangspunkt zur Rückverwandlung des Kapitals in Eigentum der Produzenten, nun aber als unmittelbares Gesellschaftseigentum“ sei (MEW 25, 453), folgert er: Dieser Punkt sei längst erreicht: „Mit der Oktoberrevolution wurde versucht, durch die Befreiung der Arbeiterklasse von der Unterwerfung unter die blinden Kräfte des Marktes zu einer neuen Stufe der Emanzipation der Menschheit zu schreiten, der planenden Gestaltung des Lebens, zunehmend ‚aus eigenen Stücken‘. Es ist Sache der Kommunisten, in diesem Prozeß als ‚Hebammen der Geschichte‘ zu wirken.“
Anders als Georg Fülberth, der sich zum Marxschen Kapital eine kritische und nicht nur im Detail durchaus wandlungsfähige Position zugelegt hat, diese aber nicht zum Maßstab seiner Beurteilung erhebt, geht Helmut Dunkhase in seiner Argumentation von einem – für ihn – gesicherten marxistischen Erkenntnisstand aus. Sein Maßstab ist die Interpretation des Marxismus, wie sie vor allem von und im Anschluß an Alan Cottrell und Paul Cockshott entwickelt wurde. Das macht ihm das Argumentieren einfach – im Zweifel durch Querverweis auf die entsprechenden quasi-autoritativen Veröffentlichungen. Die Diskussion macht es nicht einfacher, sondern komplizierter. Nicht nur zur Frage nach dem Gesetz vom tendentiellen Fall der Profitrate gibt es eine Reihe von Positionen, die von Cockshott/Cottrell noch lange nicht „aufgehoben“ wurden.[2] Auch die Beantwortung der Frage nach der Natur des Geldes im modernen Kapitalismus, das Alan Cottrell wie Sarah Wagenknecht aus dem Nichts banktechnisch hervor zaubert, dürfte noch für einige Diskussionen und Erkenntnisfortschritte, aber auch für Zweifel an der Reichweite von Helmut Dunkhases Kritik sorgen. Allerdings macht diese Übereinstimmung zwischen dem Kritiker und der Kritisierten verständlich, warum Dunkhase dem Buch bescheinigt, es beschreibe „faktenreich das parasitäre, faulende Stadium des Kapitalismus: dessen Verlust von Innovation und Investitionsfähigkeit, die unproduktiven Investitionen in die »Finanzindustrie«, die Ausplünderung öffentlichen Eigentums (sie spricht fälschlicherweise vom geplünderten Staat).“
Marx wollte an die Stelle der „conflicting dogmas“ die „conflicting facts“ setzen. Leider überläßt Helmut Dunkhase der von ihm kritisierten Autorin weithin das Feld der Fakten, um im Bereich der Dogmen um so unerbittlicher zu sein. Zweifellos ist die Eigentumsfrage im modernen Kapitalismus zentral. Aber was heißt das? Es geht doch nicht um die liberalen Theoretiker von Mises bis Hayek. Es geht in der aktuellen Debatte um das Modell des bundesdeutschen Kapitalismus gestern und heute. Doch weder der Name „Ludwig Erhard“ noch der Slogan „soziale Marktwirtschaft“ kommen in Dunkhases Text vor. Für seine Kritik gilt die Bemerkung Bertolt Brechts: „Von der Lehre paßt ein Satz zum anderen, aber welcher paßt zum Augenblick?“ Auch schade.
Lucy Redler: Grenzen der Kritik
Im Umfang wie in der Argumentation deutlich anders ist der Text ausgefallen, den Lucy Redler im September 2011 veröffentlicht hat. Die gut 40-seitige Broschüre wurde als Beitrag zur Debatte um die politische Richtung der LINKEN geschrieben, zuweilen finden sich sogar Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu geltenden Parteiprogramm erörtert. Geschult an der Revisionismuskritik Rosa Luxemburgs kann die Kollegin Redler problemlos die Widersprüche zwischen der erklärten sozialen Zielsetzung des Buches einerseits und ordoliberaler Theorie und Praxis andererseits herausstellen. Der Text enthält viele realistische Beobachtungen zu den heutigen sozialen Konflikten. Aber sie geht noch weiter und weist die Hoffnungen auf die umwälzende Bedeutung der Wirtschaftsdemokratie zurück, die nicht nur Sarah Wagenknecht pflegt.[3] Dabei zeigt sie, daß eine gründliche Kenntnis der Geschichte der Arbeiterbewegung von sehr aktuellem Nutzen sein kann: Die Argumente August Thalheimers gegen die wirtschaftsdemokratischen Träume der SPD der zwanziger Jahre stimmen alle immernoch.[4] Schließlich kann einer Autorin aus guter trotzkistischer Tradition nicht entgehen, was an Frau Wagenknechts Kritik des Ostblocks nicht stimmt: Nicht so sehr der Markt fehlte von Wladiwostok bis Helmstedt, aber sicher die Demokratie. Soweit, so gut.
Doch der Text weist zwei Schwächen auf. Zum einen verzichtet Lucy Redler darauf, den ökonomischen Schilderungen und waghalsigen historischen Bezügen Sarah Wagenknechts zu widersprechen. So gesteht auch sie der prominenten Autorin zu, eine im Prinzip zutreffende Beschreibung der aktuellen wirtschaftlichen Lage geliefert zu haben. Sie schreibt: „Ihr Buch enthält interessante Statistiken, unterhaltsame Polemiken gegen die Neoliberalen und viele gute Beispiele für den Privatisierungswahnsinn und die Riesterei in der Rente. In einigen Punkten geht sie dabei über den Programmentwurf der LINKEN hinaus. Aber hunderte von Seiten mit Zustandsbeschreibungen über den heutigen Kapitalismus reichen nicht aus, wenn die Analyse und vor allem die programmatischen Schlussfolgerungen am Kern vorbeigehen.“ Erst auf der Ebene der Politikvorschläge und Begründungszusammenhänge setzt ihre Kritik ein. Aber kann man tatsächlich auf der Grundlage der gleichen Zustandsbeschreibungen eine ganz andere Erklärung dieser Zustände begründen? Wohl kaum.
Im Gegenteil: Jeder Versuch einer zutreffenden Erklärung der Dynamik des heutigen Kapitalismus wird weitaus mehr Material erschließen müssen, als jenen kleinen Ausschnitt, der im Wagenknechtschen Buch auftaucht und ganz durch die Struktur ihrer Fragestellungen bestimmt ist. Immer neue Interpretationen desselben Materials führen dagegen nicht weiter.[5] Dies gilt selbst für den ideengeschichtlichen Teil der bisherigen Debatte, der den einzigen tatsächlichen relevanten Autor systematisch ausgespart hat: Franz Oppenheimer, nicht nur Ludwig Erhards Doktorvater, sondern auch ein origineller Autor, der wie wenige andere populäre bürgerliche Vorurteile systematisch aufgearbeitet hat und mit seinem „liberalen Sozialismus“ Kapitalismus wie Kommunismus gleichermaßen überwinden wollte.
Zum anderen sieht Lucy Redler sehr klar, daß es sich bei Wagenknechts Berufung auf Ludwig Erhard nicht um einen „Marketingtrick“ handelt. Sie erkennt ebenso, daß die Anleihen bei den Ordoliberalen Frau Wagenknecht selbst noch nicht zu einer Ordoliberalen machen. Was aber den Zusammenhang des Buches und seines Erfolges ausmacht, diskutiert sie nicht. Der eigentümlichen Geschlossenheit des kritisierten Textes wird sie nicht gerecht. Das ist die zweite Schwäche ihres Textes. Dabei ist der Kern der Wagenknechtschen Argumente nicht schwer zu identifizieren: Es ist die bürgerliche Ideologie vom Privateigentum als Produkt eigener Arbeit, die aus vielen Gründen weit über den Kreis der wirklich Vermögenden ziemlich populär ist. Es geht dabei nicht nur um Propaganda. Genauer gesagt: Jede Propaganda ist nur aussichtsreich, wenn sie an vorhandene Haltungen anknüpfen und sie weiterführen kann. Das ganze Gerede von der „Leistung“, die sich – wieder? – lohnen solle, ist nur ein Beispiel dafür, wie so etwas funktioniert.
Warum ist Ludwig Erhard noch wichtig?
Den Gründen dieser Popularität wie den politischen Folgen nachzugehen – das ist die Aufgabe einer radikalen, also halbwegs gründlichen Antwort auf Sarah Wagenknecht, die sich nicht auf eine Kritik ihres Buches beschränken kann. In einem ersten Überblick habe ich dies in einem Artikel versucht, der im November 2012 im telegraph erschienen ist: „Von der ökonomischen Romantik zur Volksfrontillusion. Sahra Wagenknechts Verkennung des Privateigentums im modernen Kapitalismus.“ Im Zentrum standen dabei die Punkte, die in Wagenknechts Kapitalismusbild nicht stimmen. Nebenbei diskutiere ich auch die Frage, ob eine „linke“ Anknüpfung an Ludwig Erhards Slogan vom „Wohlstand für alle“ Erfolg verspricht. Die Antwort ist negativ.
Nur kurz konnte ich auf die Geschichte hinweisen, in der Ludwig Erhard zu einem Symbol der Überlegenheit des bundesdeutschen Nachkriegskapitalismus wurde. Eine Geschichte, die sich nicht in den zweifellos vorhandenen rhetorischen Qualitäten des CDU-Politikers erschöpft. Es geht dabei nicht um Ideengeschichte. Es geht vielmehr um die schließlich erfolgreiche Stabilisierung des westdeutschen Kapitalismus nach einem halben Jahrhundert existenzieller Konflikte. Und wenn es einen Mann gibt, der wie kein anderer für die bürgerlichen Erfahrungen der Epoche von 1914 bis 1958 steht, dann ist es Ludwig Erhard. Seinen Schülern sollte die friedliche Einverleibung der DDR und Durchsetzung des deutschen Euro als Bestätigung seiner Positionen dienen. Darum geht ist es heute wichtig, wie jemand zu den Positionen eines ehemaligen Bundeswirtschaftsministers und kurzzeitigen Bundeskanzlers steht. Nicht nur an materiellen Reichtümern, auch an Erfahrungen ist das deutsche Großbürgertum ungewöhnlich reich. Es ist ein grober Fehler, diesen Gegner zu unterschätzen.
Fortsetzung folgt
Teil 2 hier
[1] Sahra Wagenknecht: Freiheit statt Kapitalismus, 2., erweiterte Auflage, Frankfurt/New York 2012.
[2] So ist es wenig verwunderlich, daß Helmut Dunkhase rechnerisch vorführen kann, wie sich die Profitrate der Rate des Bevölkerungswachstums annähert, wenn er dazu eine konstante Mehrwertrate voraussetzt. So schlicht ist der Kapitalismus aber nicht gebaut.
[3] Das Thema galt innerhalb der PDS einmal als Brücke zu den Gewerkschaften. Vgl. Harald Werner (Hg.): Wirtschaftsdemokratie. Eine alte Antwort neu befragt. Bonn, 1994.
[4] August Thalheimer: Über die sogenannte Wirtschaftsdemokratie. 1928. Mit einem Nachwort zur Montanmitbestimmung herausgegeben von der Gruppe Arbeiterpolitik, o.O., 1981.
[5] Der große sowjetische Psychologe Lew S. Wygotski hat solche unproduktive Situationen präzise charakterisiert: „Die Kritik liegt auf der gleichen Ebene wie das Kritisierte; sie findet gänzlich innerhalb der gegebenen Disziplin statt, ihr Ziel ist ein ausschließlich kritisches, kein positives; sie möchte nur erfahren, ob irgendeine Theorie richtig oder falsch und in welchem Grade sie richtig oder falsch ist; sie wertet und urteilt, aber sie forscht nicht. A kritisiert B, aber beide nehmen ein und dieselbe Position in Bezug auf die Tatsachen ein.“ Forschung ist für Wygotski etwas sehr anderes. Forschung „will nicht diese oder jene Lehre einschätzen, sondern etwas neues über die Tatsachen erfahren, die in der Lehre behandelt werden.“ (L.S. Wygotski, Die Krise der Psychologie in ihrer historischen Bedeutung, in: derselbe, Ausgewählte Werke, Band 1, Berlin 1985, S. 105). Forschung heißt jedoch nicht, das Rad neu zu erfinden: Spätestens mit den Publikationen von Dietrich Eichholtz, Michael Brackmann und Karl-Heinz Roth lagen Mitte der neunziger Jahre ausreichend Argumente vor, um den Mythen um den „Vater der Währungsreform“ sachlich entgegenzutreten. Und angesichts der lebendigen wirtschaftshistorischen Forschungen zur deutschen Wirtschaft zwischen 1928 und 1958 gibt es heute keinen Grund, auf eine materialistische Kritik der Erhardschen Schriften zu verzichten: Die Arbeiten von Lutz Budraß, Adam Tooze und Christoph Buchheim, von Mark Spoerer, Jonas Scherner geben Aufschluß über manche Frage, die noch in Eichholtz großer „Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft“(1969-1996) offen geblieben war.